Wer von uns hat nicht bereits einmal fasziniert innegehalten bei der Betrachtung eines Kletterers in voller Aktion und sich dabei insgeheim gewünscht, so etwas selbst auch einmal zu probieren. Woran es dann aber meist scheitert ist die fehlende Möglichkeit, die Angst vor der Tiefe, kurzum die scheinbar unüberwindlichen Hindernisse bis zu einem ersten eigenen Schritt am Fels. Dass dies nicht so sein muss, wollen wir mit diesen Seiten zeigen und das Mysterium Klettern für alle etwas zugänglicher machen.
Zuerst stellt sich die grundsätzliche Frage was versteht man überhaupt unter Klettern. Ist dies der Kampf mit dem Ungeheuer Berg à la Eiger Nordwand oder Matterhorn, wie dies vielen aus alten Bergfilmen mit Luis Trenker eindrücklich vor Augen geführt wurde. Ist es der haarsträubende Hochleistungssport, den uns so bekannte Kletterspezialisten wie die Huberbrüder heutzutage präsentieren, die in einem wahnwitzigen Tempo 1000 m hohe Wände quasi ungesichert hochrasen, oder ist es die Quälerei in extrem sauerstoffarmer Luft im Himalaya, die Extrembergsteiger wie Reinhold Messner weltweit publik gemacht haben? Die Antwort darauf kann nur lauten: Das alles und darüber hinaus noch unendlich viel mehr. Die Disziplinen des Kletterns sind heutzutage so vielfältig, wie nie zuvor in der Geschichte des senkrechten Sports und sollen im Folgenden etwas näher vorgestellt werden.
Beginnen wollen wir mit der sicherlich unkompliziertesten Variante des Kletterns, der Ersteigung der "kleinen Blöcke". Diese Spielform ist unter dem Begriff "Bouldern" bekannt geworden. Mit minimaler Ausrüstung, die eigentlich nur aus Kletterschuhen und einem Magnesiabeutel besteht, versucht hier der Sportler, möglichst schwierige Passagen in vertretbarer Absprunghöhe ohne Seil zu bewältigen. Um die Verletzungsgefahren weiter zu minimieren, wird häufig eine sogenannte Bouldermatte (Crashpad) verwendet, die bei einem Sturz die Fallenergie weitestgehend absorbieren soll. Bei besonders heiklen Kletterpassagen ist der ein oder andere Kletterkumpel, der bei Stürzen eine stützende Hand zur Verfügung stellt (spotten), sicher hochwillkommen. Die Kletterschwierigkeiten, die bei solchen Bouldern heutzutage bewältigt werden, sind in der gesamten Palette des Sports unerreicht, konzentrieren sich aber meist auf einige wenige Klettermeter.
Unter Sportklettern, das auch weithin als Freeclimbing bekannt wurde, versteht man ganz allgemein gesprochen die Ersteigung einer Felswand nur unter Verwendung von natürlichen Griffen und Tritten. Der Kletterer ist dabei durch ein Seil gesichert und hängt dieses mittels Karabiner beim höher steigen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen in fix installierte, oder selbst angebrachte Sicherungspunkte (Felshaken o. ä.) ein. Die Sicherung des Kletterers wird durch seinen Seilpartner vorgenommen, der im Falle eines Sturzes des voran steigenden Kletterers die Aufgabe hat, das Seil zu fixieren. Beim Sportklettern sollte noch die Variante des alpinen Sportkletterns erwähnt werden. Hierbei handelt es sich im Unterschied zum "normalen Sportklettern", das sich normalerweise auf Kletterlängen von etwa 30 m erstreckt, um mehrere Seillängen in alpinem Gelände. Diese verfügen jedoch ebenfalls über fix installierte, zuverlässige Sicherungspunkte in ausreichender Menge.
Im Unterschied zum reinen Sportklettern kommt beim Alpinklettern in der Regel der Faktor Ernsthaftigkeit hinzu. Im Klartext bedeutet dies, dass Sicherungspunkte meist schlecht oder nicht vorhanden sind. Die Absicherung einer Route muss selbstständig aufgebaut werden (Klemmkeile, Haken schlagen...). Gefahren wie brüchiger/vereister Fels, Wettersturz, Lawinen... bedrohen hier zusätzlich den Erfolg der Unternehmung. Häufig muss man sich mit kombiniertem Gelände bestehend aus Fels und Eis auseinander setzen. Die Ausrüstung und die zu beherrschenden Klettertechniken müssen darauf abgestimmt sein. Die Routenfindung kann in unübersichtlichem Gelände oft zu einem größeren Problem werden und viel Erfahrung ist für solche Situationen erforderlich. Bei solchen Unternehmungen sollte immer eine genügende Leistungsreserve mit eingeplant werden. Touren am persönlichen Limit können im alpinen Bereich schnell zur Katastrophe ausarten
Die Fortbewegung findet hier nicht im Fels sondern im reinen Eis statt. Meist wird heutzutage in den Wintermonaten an gefrorenen Wasserfällen oder im späteren Frühjahr an Eisrinnen geklettert. Die Gefahren bei dieser Spielart sind nicht unerheblich, da die Eisfestigkeit oftmals deutlich unberechenbarer ist als Fels.
Besonders extreme Variante des Eiskletterns, bei der in überhängendem Eis, an Eiszapfen, vereisten Dächern, Fels mit Teilvereisung akrobatische Höchstleistungen vollbracht werden. Bei dieser Sportart wird allerdings auch häufig ein immenses Risiko eingegangen, was viele schwere Unfälle in der Vergangenheit immer wieder gezeigt haben.
Hier werden vorwiegend die Eisriesen dieser Erde (Himalaya), aber auch extrem abgelegene, unwirtliche Felsgiganten (Patagonien) in wochenlangen Unternehmungen belagert, um den kleinen Augenblick zu erwischen, während dessen eine Besteigung durch eine kurze Wetterbesserung möglich gemacht wird. Besondere konditionelle und mentale Stärke ist hier von herausragender Bedeutung. Wer hier nicht eine erhebliche Menge an Leidensfähigkeit mitbringt, sollte nicht einmal mit dem Gedanken spielen. Die Gefahren bei dieser Variante des Bergsports sind immens hoch und durch verschiedenste Pressemeldungen hinlänglich bekannt.
Hierbei wird eine Felswand nicht nur durch natürliche Griffe und Tritte überwunden, sondern es werden beispielsweise Haken in feine Risse geschlagen an denen sich der Kletterer anschließend hochzieht. So werden ansonsten nicht kletterbare Wandstücke überwunden. Was man unter nicht kletterbar zu verstehen hat, das hat sich dabei im Laufe der letzten Jahrzehnte drastisch verändert und wurde früher einmal nahezu ausschließlich technisch geklettert, so gibt es heute aufgrund der enorm gestiegenen Leistungsfähigkeit nur noch relativ wenige technisch zu kletternde Routen.
Das Soloklettern ist die Ausübung des Sports ohne Kletterpartner. Entgegen landläufiger Meinung wird hier auf eine Seilsicherung nicht verzichtet. Die Sicherung erfolgt mittels speziellen Sicherungsgeräten und -techniken.
Beim Free-Soloklettern wird auf eine Seilsicherung verzichtet und der Kletterer bewältigt die Route ausschließlich aus eigener Kraft. Fehler enden in der Regel tödlich. Extrem gefährliche Variante des Klettersports, der immer die absolute Ausnahme bleiben sollte.
Für viele heutzutage der Einstieg in den Sport. In Kletterhallen kann man sich an künstlichen, bestens abgesicherten Wänden die grundlegenden Klettertechniken aneignen. Für viele erfahrene Kletterer auch eine willkommene Trainigsmöglichkeit für die winterliche Jahreszeit.
Hervorgegangen aus dem Hallenklettern werden heutzutage Wettkämpfe auf nationalem sowie auf internationalem Niveau ausgetragen, bei denen in verschiedenen Disziplinen die jeweils stärksten Kletterer/innen ermittelt werden. Wettkämpfe gibt es derzeit im Bereich Bouldern, Schwierigkeitsklettern, Geschwindigkeitsklettern (Speed) und im Bereich Eisklettern.Die Wettkämpfe finden nahezu ausschließlich an künstlichen Kletter-/Boulderwänden statt.
Die Frage, die sich den Meisten nun stellen wird, ist: wie kann ich zum ersten Mal klettern gehen, bzw. wer kann mir die nötigen Grundbegriffe beibringen, denn eines sollte absolut klar gestellt werden - ohne einige Grundkenntnisse geht es bei diesem Sport nicht und wer dieses ignoriert, begibt sich in äußerste Lebensgefahr! Eine staatlich verordnete Pflicht, einen Schein zu erwerben, besteht jedoch nicht - ein großes und heutzutage leider unüblich gewordenes Stück Freiheit, das jedoch von jedem Kletterer im Gegenzug ein großes Stück Eigenverantwortung einfordert. Fehlende Grundkenntnisse gefährden bei diesem Sport nicht nur das eigene Leben, sondern zumindest auch das des Seilpartners. Kletterhallenbetreiber dagegen verlangen im Normalfall eine Unterschrift, dass der Kunde grundlegende Kenntnisse in der Sportart besitzt.
Grundkenntnisse kann man sich problemlos bei verschiedensten Kletterkursen erweben, die von allen Sektionen des Deutschen Alpenvereins, von privaten Kletterschulen oder auch in Kletterhallen angeboten werden. Bei diesen Kursen lernt man die verschiedenen Knoten, Sicherungsarbeit, Standplatzbau und vieles mehr, was als Basis für diesen Sport unbedingt erforderlich ist. Die wahre Meisterschaft erreicht man jedoch erst nach vielen, sehr vielen Klettermetern und aufmerksamem Lernen von anderen Kletterern. Wer glaubt, nach einem Kletterkurs wüsste er bereits alles, was es in diesem Sport zu wissen gibt, der irrt gewaltig. Deshalb sollte man sich dem Sport in kleinen Schritten nähern und nicht nach dem ersten korrekt geknüpften Anseilknoten in die Eiger Nordwand einzusteigen versuchen. Solche Aktionen haben meist ein vorhersehbares Ende.
Der nächste logische Schritt führt heutzutage meist in eine der vielen Kletterhallen, wo in gut gesichertem Gelände ohne allzu große Gefahren (Steinschlag, schlechtes Sturzgelände...) die Bewegung in steilem Gelände geübt und richtige Sicherungstechnik verinnerlicht werden kann. Voraussetzung für selbstständiges Klettern in der Halle ist aber in jedem Fall der Seilpartner, denn Klettern kann man im Gegensatz zum Bouldern immer nur zu zweit. Ist der passende Seilpartner erst mal gefunden und die Kletterhalle wird langsam langweilig, dann kommt für die Meisten der große Schritt in die freie Natur. Wo solche Klettermöglichkeiten bestehen, lässt sich anhand umfangreicher Kletterführer unschwer nachvollziehen. Die bekanntesten Klettergebiete in Deutschland sind das Weser-Leine Bergland, das Elbsandsteingebirge, das Frankenjura, die Schwäbische Alb, die Pfalz und die Felsen der Allgäuer Alpen.
Am Fels trifft man meist auf ganz andere Bedingungen und hat man in Kletterhallen in der Regel Sicherungspunkte im Meterabstand, so muss an natürlichem Fels oft ordentlich von Sicherungspunkten weggeklettert werden. Darüberhinaus sind Griff- und Trittmöglichkeiten am Fels bei weitem nicht so offensichtlich, wie in Kletterhallen. Viele besonderen Klettertechniken, die in Kletterhallen überhaupt nicht zum Einsatz kommen, müssen erst einmal erlernt werden, um manche "Freiluftrouten" überhaupt bewältigen zu können. Diese Unterschiede werden dem Neuling am Fels in der Anfangsphase ordentlich zu schaffen machen, doch wer einmal an richtigem Fels geschnuppert hat, der kommt so rasch nicht mehr davon los. Die Vielfalt der Natur ist nahezu unerschöpflich und Kletterhallen sind davon nur ein sehr schwaches Abbild. Welche der zuvor beschriebenen Varianten des vertikalen Sports die jeweils Richtige ist, das liegt im Ermessen jedes Einzelnen. Doch egal wo man schließlich landet, auf dem Gipfel eines 2 m Blocks oder am Dach der Welt, die Faszination und Freiheit dieses einzigartigen Sports wird sich hoffentlich jedem erschließen.
Die Auflistung soll einen groben Überblick verschaffen, was man für welche Kletterdisziplin ungefähr an Ausrüstung benötigt. Die Basisausrüstung ist hierbei für das Sportklettern aufgelistet und ausgelegt für Vorstiegsbegehungen in nahzu allen gängigen Sportklettergebieten.
Immer mitführen sollte man eine Rettungsdecke und Verbandszeug.
Bouldern
Kletterschuhe, Magnesiabeutel + Magnesia, Bouldermatte, kleine Bürste (z. B. Zahnbürste) zum Griffe reinigen.
Sportklettern
Rucksack, Einfachseil: Meist genügt hier ein 60 m langes Seil, in einigen Klettergebieten (vor allem Südfrankreich) werden 70 m lange Seile benötigt, Klettergurt, Kletterschuhe, Abseilachter, 10...14 Expressschlingen, 2 Schraubkarabiner, 2 HMS Karabiner, 2...4 Bandschlingen (1...1,5 m),1 Satz Klemmkeile (Stopper), Helm (zu empfehlen, im alpinen Bereich zwingend), Sicherungsgerät (optional), Magnesiabeutel + Magnesia, kleine Bürste (z. B. Zahnbürste) zum Griffe reinigen.
Alpines Klettern in Fels
Grundausrüstung wie beim Sportklettern. Als Seil sollte man meist besser ein Zwillingsseil verwenden, Helm, Brustgurt, Hakensortiment, Kletterhammer, erweitertes Keilsortiment (Friends...), weitere Expressschlingen und zusätzliche Bandschlingen, Stirnlampe, Biwaksack.
Unterwegs im Eis / Eisklettern
Je nach Routenanforderungen muss natürlich auch hier die Ausrüstung im Einzelfall angepasst werden. Grundsätzlich kommen aber folgende Kletterartikel zum Einsatz:
Im Gegensatz zum Sportklettern empfiehlt sich hier die Verwendung eines Zwillingsseils, Klettergurt, Brustgurt zu empfehlen, Helm, Steigeisen (Typ je nach Art der Kletterei), ggf. steigeisenfestes Schuhwerk, Eispickel, Eisbeil (nur bei anspruchsvolleren Routen), Eishaken, Eisschrauben, 2 Prusikschlingen (5 mm Reepschnur jeweils ca. 3 m), Abseilachter, 10...14 Expressschlingen, 2 Schraubkarabiner, 2 HMS Karabiner, 2...4 Bandschlingen (1...1,5 m), Sicherungsgerät (optional), Stirnlampe, im alpinen Bereich Biwaksack.
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